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Studie: Open Source trägt 95 Milliarden Euro zur EU-Wirtschaftskraft bei

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Allein die via 30 Millionen Open-Source-Beiträge welcher EU-Staaten entsprachen 2018 einer Personalinvestition in Höhe von so gut wie einer Milliarde Euro.


    Studie: Open Source trägt 95 Milliarden Euro zur EU-Wirtschaftskraft bei

(Bild: EFKS/Shutterstock.com)

Von

  • Stefan Krempl

Europas Wirtschaft profitiert stark von frei verfügbarer Software und Hardware. Laut einer neuen Analyse lag die ökonomische Bedeutung von Open Source 2018 in damals noch allen 27 EU-Länder zwischen 65 und 95 Milliarden Euro. Der kleinere Wert bezieht sich dabei auf die rund 30 Millionen Open-Source-Beiträge der Mitgliedsstaaten in Form von "Commits" auf Plattformen wie GitHub, mit denen eine aktuelle Version einer freien Software anderen Entwicklern und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wird. Die fast 100 Milliarden schließen auch die wirtschaftliche Bedeutung der Beitragsleistenden ein.

Die Daten stammen aus der Studie über "die Auswirkungen von Open-Source-Software und -Hardware auf technologische Unabhängigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Innovation in der EU", die das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) und das OpenForum Europe im Auftrag der Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien der EU-Kommission durchgeführt haben. Vertreter der beiden Institutionen stellten die Kernergebnisse am Freitag auf dem virtuellen EU Open Source Policy Summit vor.

ISI-Forscher Knut Blind betonte dabei, dass es sich um eine konservative Schätzung handle. Das Team sei immer am "unteren Rand der wirtschaftlichen Bedeutung" von Faktoren rund um freie Soft- und Hardware geblieben. Die meisten Beiträge in der EU seien aus Deutschland und dem 2018 noch nicht ausgeschiedenen Großbritannien gekommen. Hierzulande werde der wirtschaftliche Beitrag von Open Source unter etwas anderen Parametern auf 15 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Zum Vergleich: das europäische Bruttoinlandsprodukt betrug 2018 insgesamt rund 15,9 Billionen Euro.

Insgesamt zeige die ökonomische Zeitreihenanalyse, dass die EU aus ihrer Beteiligung an der Open-Source-Entwicklung "einen erheblichen Nutzen zieht", heißt es in der heise online vorliegenden Zusammenfassung der Studie. Darin wird das Zustandekommen der Summen so erklärt: Die Zahl der einzelnen Mitwirkenden an freier Soft- und Hardware belaufe sich auf mindestens 260.000, was acht Prozent der fast 3,1 Millionen EU-Beschäftigten im Bereich Computerprogrammierung entspricht. Davon würden erfahrungsgemäß ein Drittel der Beiträge von Akademikern geleistet. Zusammengenommen würde es so 16.000 Vollzeit-Entwickler erfordern, um das gleiche Volumen an Quelltext bereitzustellen

Im Durchschnitt widme ein Mitwirkender zehn Prozent seiner Arbeitszeit der Open-Source-Entwicklung, heißt es in der Analyse weiter. Dies bedeute, dass insgesamt 0,5 Prozent aller EU-Beschäftigten im Programmierbereich für das Erstellen und Mitwirken an freier Hard- und Software eingesetzt würden. Die Personalkosten beliefen sich dafür 2018 in den Mitgliedsstaaten auf fast 15 Milliarden Euro. Insgesamt stellten deren mehr als 30 Millionen Commits parallel eine Personalinvestition auf Basis von Vollzeitäquivalenten in Höhe von fast einer Milliarde Euro dar. Diese Summe werde aber "der Allgemeinheit zur Verfügung" gestellt, was den Aufwand für eine erneute Entwicklung erübrige.

Die Daten zeigen laut den Wissenschaftlern zugleich, dass die relativen Investitionen in Open Source "umso größer sind, je kleiner das Unternehmen ist". Insgesamt lieferten Firmen mit 50 oder weniger Mitarbeitern fast die Hälfte der Beiträge in der untersuchten Stichprobe der aktivsten Unternehmen, während sich die Situation in den USA ganz anders darstellt. Das Ausmaß des Engagements variiert nach Branche und Größe. Über 50 Prozent der Beitragenden kommen aus der IT-Branche, in der EU-weit acht Prozent aller Beschäftigten an der Open-Source-Entwicklung beteiligt waren. Ein starkes Engagement gibt es auch bei Firmen, die freiberufliche, wissenschaftliche und technische Tätigkeiten ausüben.

Weitere Einblicke in die Szene verschafften sich die Forscher mit einer Umfrage mit rund 900 Teilnehmern. Der Reiz von Open Source liegt laut Blind demnach vor allem darin, technische Lösungen zu finden und den Stand der Technik allgemein voranzubringen. Vielen gehe es auch darum, eine Abhängigkeit von einzelnen Herstellern vermeiden sowie Wissen aufzubauen und zu teilen.

Als Vorteile nennen die Beteiligten insbesondere offene Standards und Interoperabilität sowie einen verbesserten Zugang zu Code. Finanzielle Ersparnisse sind nicht so relevant, angestrebt wird stärker noch die Arbeit an Software mit weniger Fehlern. Blind verwies dennoch auf das große Potenzial von Open Source, die Gesamtkosten etwa im öffentlichen Sektor zu drücken und zugleich die digitale Autonomie zu stärken. Etwa auch beim Klimaschutz könne offene Software einen großen Beitrag leisten. Das Wertschöpfungspotenzial sei noch lange nicht ausgeschöpft und prinzipiell einfach zu haben.

Die Verfasser der Studie, die in Bälde veröffentlicht werden soll, geben der Politik auch über 30 Empfehlungen mit auf den Weg. Die Kommission sollte eine stärkere Koordinationsrolle übernehmen, dafür ein eigenes Netzwerk aufbauen und so das sich entwickelnde Ökosystem stärken, erläuterte OpenForum-Chefin Sachiko Muto. Open-Source-Communities müssten stärker in europäische Forschungs- und Innovationsleitlinien integriert werden etwa für den Green Deal oder das Rahmenprogramm Horizont Europa, Förderbestimmungen besser auf kleine Firmen und Startups ausgerichtet werden.

Muto riet dazu, die Rechtssicherheit zu erhöhen, also etwa Haftungsrisiken für Entwickler zu verringern und Nutzer besser schützen. Die IT-Sicherheit einzelner Komponenten sollte vor allem im Bereich kritischer Infrastrukturen über Audits erhöht werden. Die öffentliche Hand müsse angesichts der Größe des Sektors Beschaffungsrichtlinien stärker auf Open Source ausrichten. Es reiche zudem angesichts des Fachkräftemangels nicht, nur Tablets in Klassen zu bringen, die Schüler müssten auch das Programmieren lernen.

Eine "lange Liste an Erfolgsgeschichten" hatte zuvor Binnenmarktkommissar Thierry Breton bei freier Software ausgemacht. "Die besten Supercomputer laufen auf Open Source", Linux beflügele das Internet, meinte der Franzose. Viele Firmen investierten in offenen Quelltext, "um Werte für ihre Shareholder zu schaffen". Die Vorteile für Bürger, die Gesellschaft und die öffentliche Verwaltung müssten noch stärker in den Vordergrund rücken im Sinne der technologischen Souveränität. Der Entwicklungsansatz könnte auch genutzt werden, um Künstlicher Intelligenz auf den Zahn zu fühlen.

Eine Vorgängerstudie aus 2006 der Universität Maastricht hatte den Gesamtwert aller ausgereiften Open-Source-Lösungen auf knapp 12 Milliarden Euro taxiert. Der damalige Forschungsleiter Luc Soete erinnerte daran, dass es damals noch um "David gegen Goliath" gegangen sei zu einer Zeit, in der Microsoft Linux als "Krebsgeschwür" verunglimpft habe. Mittlerweile zeige sich der Konzern "verliebt in Open Source" und aus dem David "ist ein Goliath geworden". Die Abhängigkeit von Microsoft sei in einigen Programmbereichen aber nach wie vor ein großes Problem. Für die Zukunft hofft Soete darauf, dass sich eine offene Entwicklung auch auf den medizinischen Bereich und vor allem auf Impfstoffe ausdehnt, wo die Verteilung derzeit noch "ein Fiasko" darstelle.

Apps zum Nachverfolgen von Kontakten mit Corona-Infizierten zeigten, das offener Quelltext gut wiederverwendbar sei, hob Daimlers Open-Source-Botschafter Mirko Böhm hervor. Bei der eigentlichen Entwicklung halte sich die Kooperation aber oft noch in engen Grenzen. Er bedauerte, dass große Konzerne Champions sein könnten in diesem Bereich, aber oft noch hinterherhinkten. Chris Wright, Cheftechnologe von Red Hat, unterstrich: Open Source sei "die Innovationsmaschine der globalen IT-Industrie".

Bei freier Hardware bezeichnete Andrew Katz von der Kanzlei Moorcrofts die Arbeit an integrierten Schaltkreisen wie Field Programmable Gate Arrays (FPGA) als am aussichtsreichsten, da sich das Design von Kernkomponenten einfach teilen lasse. Bei Leiterplatten und anderen elektronischen Bauteilen werde die Sache schwieriger.

(bme)

Quelle: www.heise.de

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