EU-Cloud: Gaia-X-Allianz begrüßt Palantir, Huawei, Alibaba & Co. als Mitglieder
Der Gaia-X-Vorstand hat offiziell die Mitgliedschaft von 212 neuen Unternehmen und Forschungsinstitutionen für welcher europäischen Cloud-Initiative bestätigt.
Von
- Stefan Krempl
212 IT-Firmen und Forschungseinrichtungen dürfen sich seit Ende März offiziell als Mitglieder der europäischen Cloud-Allianz Gaia-X bezeichnen. Dazu gehören auch diverse Unternehmen aus China und den USA wie Huawei, Alibaba, Haier, Amazon, Google, Microsoft, Palantir und Salesforce. Diese zählten bislang nicht als Paradebeispiele für die von den Gaia-X-Initiatoren gepredigten Werte wie Datenschutz, digitale Souveränität, Vertrauen, Transparenz und Offenheit.
Alle Bewerber angenommen
Dass die drei großen US-Hyperscaler Amazon, Google und Microsoft bei Gaia-X mitmischen wollen, hatte sich bereits im Herbst abgezeichnet. Auch viele der anderen internationalen IT-Unternehmen standen bereits auf kursierenden Bewerberlisten. Offiziell gemacht hat es nun aber erst vorige Woche der allein europäisch besetzte Verwaltungsrat der gemeinnützigen Gaia-X-Gesellschaft mit Sitz in Brüssel.
Alle der 212 Bewerber seien angenommen worden, erklärte das Gaia-X-Kommunikationsteam im Anschluss. Rund 40 Prozent der neuen Mitglieder sind demnach Cloud- und IT-Anbieter, 36 Prozent Anwenderunternehmen, Verbände, Wissenschaftseinrichtungen oder gemeinnützige Organisationen sowie 25 Prozent Start-ups. Bei mehr als 92 Prozent handle es sich um europäische Unternehmen, der Rest komme hauptsächlich aus Asien und Nordamerika.
Vertrauenslabel angekündigt
Die Infrastrukturinitiative wertet das "große Interesse" an einer Mitgliedschaft als Bestätigung dafür, "dass die Gaia-X-Ziele wichtig sind". Viele Marktteilnehmer wollten sicherstellen, dass das Cloud-Projekt ein Erfolg werde. Man setzte die Erwartungen weiterhin hoch rund um neue Dienste, die auch das Teilen von Daten über föderierte Cloud-Services erleichtern sollten.
Der Verwaltungsrat entschied laut der Mitteilung zudem, ein Gaia-X-Vertrauenslabel zu schaffen, das nur an Dienste oder Produkte vergeben werden soll, die vollständig die Prinzipien der Initiative befolgen. Die genauen Kriterien dafür würden in den kommenden Wochen aufgestellt auf Basis von Empfehlungen der Ausschüsse für Technik und Regulierung. Firmen, die sich auf einen mit dem Logo ausgezeichneten Service verließen, könnten sich sicher sein, dass die Lösungen das europäische Recht einhielten sowie Datenportabilität, höchste Kriterien der IT-Sicherheit sowie eine klare Transparenz rund um die Datenverwendung gewährleisteten.
Strikte Einhaltung der Regeln
Das "Vertrauenszeichen" könne auch an Institutionen vergeben werden, die keine Mitglieder des Gaia-X-Verbunds seien, beschloss der Verwaltungsrat weiter. Die Mitgliedschaft in der Stiftung bedeute andererseits nicht, dass alle Dienstleistungen eines angeschlossenen Unternehmens berechtigt seien, das Label auf ihren Produkten zu führen.
"In der Vergangenheit haben mehrere Unternehmen irreführende Aussagen veröffentlicht, indem sie ankündigten, bereits Gaia-X Mitglied zu sein oder Gaia-X konforme Dienstleistungen zu erbringen", rügt der Verwaltungsrat zudem. Man wolle daher "ein starkes Signal senden, dass die oben genannten Regeln strikt eingehalten werden müssen".
Streitobjekt Palantir
Palantir etwa hatte bereits im Dezember stolz bekannt gegeben, vom Start weg bei dem europäischen Prestigeprojekt an vorderster Front dabei zu sein. Das Big-Data-Unternehmen aus den USA gehörte aber nicht zu den im September offiziell bekannt gegebenen 22 ersten Gründungsmitgliedern der Gaia-X-Gesellschaft. Darunter befanden sich Namen wie Atos, BMW, Bosch, DE-CIX, Deutsche Telekom, die Fraunhofer-Gesellschaft, Orange, OVH, SAP und Siemens.
Da Palantir eng mit Geheimdiensten wie der CIA und der NSA sowie dem US-Militär kooperiert, stieß bereits die Ankündigung der Bewerbung der Firma bei Gaia-X auf scharfe Kritik. Diese vertrete als 'Hilfssheriff' autoritärer Regierungen das Gegenteil von Europas Interessen und untergrabe das Ziel der digitalen Souveränität, monierten Gegner. Der Spiegel berichtet, Europol etwa habe die Zusammenarbeit mit dem "unheimlichen" Unternehmen desillusioniert nach einigen Jahren beendet, auch bei der Pandemiebekämpfung scheine der Mehrwert von Palantir-Lösungen zweifelhaft.
Basiskomponenten fehlen, beschränkte Nachfrage erwartet
Auf erneute Bedenken hin betonte Marco-Alexander Breit, KI-Experte im Bundeswirtschaftsministerium, dass alle Gaia-X-Mitglieder zwar bei den laufenden Standardisierungsbemühungen teilnehmen dürften. Es sei ihnen aber nicht automatisch gestattet, an dem angestrebten Ökosystem selbst zu partizipieren oder ihre Dienste mit dem Vertrauenszeichen zu schmücken.
Die ersten Lösungen mit dem Gaia-X-Label erwartet der Verwaltungsrat nun im Dezember, während anfangs vom Frühjahr die Rede war. Maximilian Ahrens, Technikvorstand der für das Cloud-Vorhaben zuständigen Telekom-Tochter T-Systems, bedauerte jüngst in der Welt am Sonntag, dass die Spezifikationen für die "Federation Services" von Gaia-X noch nicht veröffentlicht seien. Damit fehlten bislang Basiskomponenten für den Verbund. Zugleich kritisierte er, dass es aus dem öffentlichen Sektor bislang kaum Nachfrage gebe. Ohne ein solches Engagement der öffentlichen Hand werde Gaia-X wohl kaum funktionieren.
(tiw)
Quelle: www.heise.de