Millionen-Bußgeld wegen Videoüberwachung gegen notebooksbilliger.de
Der Elektronikhändler notebooksbilliger.de soll 10,4 Millionen Euro Bußgeld zahlen, weil er laut Landesdatenschutzbehörde Mitarbeiter mit Kameras überwacht hat.
Update Von
- Holger Bleich
Die Landesbeauftragte für Datenschutz (LfD) Niedersachsen Barbara Thiel hat ein Bußgeld in Höhe von 10,4 Millionen Euro gegen den Elektronikhändler notebooksbilliger.de (NBB) verhängt. Das Unternehmen habe über mindestens zwei Jahre seine Beschäftigten per Video überwacht, ohne dass dafür eine Rechtsgrundlage vorgelegen habe. Die unzulässigen Kameras hätten unter anderem Arbeitsplätze, Verkaufsräume, Lager und Aufenthaltsbereiche erfasst.
Gegenüber c't verwehrte sich Firmengründer Arnd von Wedemeyer gegen die Vorwürfe. NBB nutze Kameras, um den Warenfluss bei Lagerung, Verkauf und Versand der Produkte zu verfolgen. Bei verschwundener oder beschädigter Ware würden die gespeicherten Aufzeichnungen allenfalls nachträglich auf Hinweise untersucht. Dieses Vorgehen sei bei Versand- und Logistikunternehmen Standard. Überdies habe man in dem seit 2017 laufenden Verfahren eng mit der LfD kooperiert, "um eine vollständige Compliance mit der DSGVO auch aus Sicht der Behörde sicherzustellen".
Generalverdacht unzulässig
Insbesondere das Motiv, mit Kameraüberwachung Diebstähle zu verhindern, kritisierte die Landesdatenschutzbeauftragte massiv. Eine Videoüberwachung zur Aufdeckung von Straftaten sei nur rechtmäßig, wenn sich ein begründeter Verdacht gegen konkrete Personen richte. Nur dann könne es zulässig sein, diese zeitlich begrenzt mit Kameras zu überwachen. Bei NBB sei die Videoüberwachung aber weder auf einen bestimmten Zeitraum noch auf konkrete Beschäftigte beschränkt. Hinzu sei gekommen, dass die Aufzeichnungen in vielen Fällen 60 Tage gespeichert wurden "und damit deutlich länger als erforderlich".
Laut LfD waren auch Kundinnen und Kunden von der unzulässigen Videoüberwachung betroffen, da einige Kameras auf Sitzgelegenheiten im Verkaufsraum gerichtet gewesen seien. In einer Mitteilung der Behörde heißt es dazu: "In Bereichen, in denen sich Menschen typischerweise länger aufhalten, zum Beispiel um die angebotenen Geräte ausgiebig zu testen, haben die datenschutzrechtlich Betroffenen hohe schutzwürdige Interessen. Das gilt besonders für Sitzbereiche, die offensichtlich zum längeren Verweilen einladen sollen. Deshalb war die Videoüberwachung durch notebooksbilliger.de in diesen Fällen nicht verhältnismäßig."
Höchstes ausgesprochenes Bußgeld
10,4 Millionen Euro sind das bisher höchste Bußgeld, das die LfD Niedersachsen ausgesprochen hat. Die DSGVO sieht Geldbußen von bis zu 20 Millionen Euro oder bis zu 4 Prozent des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes eines Unternehmens vor. Das Unternehmen notebooksbilliger.de aus der niedersächsischen Kleinstadt Sarstedt ist nach Erhebungen aus dem Jahre 2018 der umsatzstärkste Online-Elektronikhändler Deutschlands, noch vor Mediamarkt.de, Saturn.de oder Alternate. In 2019 verzeichnete das Unternehmen einen Jahresumsatz von knapp einer Milliarde Euro. Die 10,4 Millionen Euro wären also etwa ein Prozent davon.
Der Bußgeldbescheid ging bereits im Dezember 2020 bei NBB ein. Gegenüber c't erklärte von Wedemeyer, dass man bereits Einspruch gegen den Bescheid bei der Behörde eingelegt habe, der nun von der Landesdatenschutzbehörde geprüft wird. Bleibt die Behörde bei ihrer Bewertung und der Bußgeldhöhe, geht das Verfahren vor Gericht.
Guter Ruf gefährdet
NBB-Geschäftsführer Oliver Hellmold zeigt sich in einer Mitteilung empört: "Wir sind ein überschaubarer Mittelständler und kein anonymer Großkonzern. In unseren Lagern und Versandzentren arbeiten kleine Teams, da benötigen Vorgesetzte keine Videoaufnahmen, um Mitarbeiter beurteilen zu können. Sofern die Datenschutzbeauftragte Niedersachsen etwas anderes suggeriert, ist dies grob falsch und gefährdet unseren guten Ruf." Offenbar solle "hier auf Kosten unseres Unternehmens ein Exempel statuiert werden, das mit notebooksbilliger.de nur wenig zu tun hat. Es geht darum, ein möglichst abschreckendes Bußgeldregime in Sachen Datenschutz zu etablieren."
Die LfD Barbara Thiel sieht das anders: "Wir haben es hier mit einem schwerwiegenden Fall der Videoüberwachung im Betrieb zu tun", erklärte sie. Die immer wieder vorgebrachte, angeblich abschreckende Wirkung der Videoüberwachung rechtfertige keinen dauerhaften und anlasslosen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten: "Wenn das so wäre, könnten Unternehmen die Überwachung grenzenlos ausdehnen. Die Beschäftigten müssen aber ihre Persönlichkeitsrechte nicht aufgeben, nur weil ihr Arbeitgeber sie unter Generalverdacht stellt", so Thiel. Videoüberwachung sei ein besonders intensiver Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, da damit theoretisch das gesamte Verhalten eines Menschen beobachtet und analysiert werden könne.
[Update]
notebookbilliger.de hat einen FAQ-Beitrag zum Bußgeldverfahren veröffentlicht.
(hob)
Quelle: www.heise.de