Die kryptische URL von der Seite im Firmen-Intranet mit den Deadlines; die Adresse von diesem (wie heißt er noch mal?) Blogger mit den interessanten politischen Analysen; die zufällig entdeckte Sammlung mit den tollen Tipps für Wanderungen im nächsten Urlaub: Adressen von Websites, die wirklich wichtig oder über den Tag hinaus interessant sind und die man auch mit Google nicht so schnell wiederfindet, kommen in die Bookmarks.
Dieser Informationsschatz ist aber auch das größte Hemmnis, einen neuen Browser auszuprobieren oder mehrere Browser parallel zu nutzen, denn ohne Weiteres gleichen die Browser unterschiedlicher Hersteller ihre Bookmarks nicht miteinander ab. Und wer will schon umständlich mehrere Lesezeichenverzeichnisse nebeneinander pflegen? Dabei gibt es diverse Anwendungen und Dienste, die einen Bookmark-Stamm für mehrere Browser zugänglich machen – so viele, dass wir hier nur eine Auswahl von Diensten präsentieren können, die sich in der Redaktion bewährt haben.
Klickbare Links
Alle Browser können von Haus aus ihre Bookmarks mit Ihresgleichen synchronisieren. So können Sie zum Beispiel Ihre Chrome-Lesezeichen auf allen Systemen abgleichen, auf denen Sie Chrome installiert haben. Beim Abgleich mit anderen Browsern muss Chrome aber wie jeder andere Browser passen. Dann benötigen Sie andere Hilfsmittel.
Grundsätzlich eignet sich jeder Clouddienst als eine Browser-übergreifende Lesezeichensammlung, bei dem Sie klickbare Links übersichtlich anordnen können. Wenn Sie zum Beispiel ohnehin einen Online-Zettelkasten wie Google Notizen oder das derzeit angesagte Notion verwenden, können Sie diese zu einer Lesezeichensammlung aufbohren.
Allerdings bietet Google Notizen keine Importfunktion für eine bestehende Lesezeichensammlung. Notion kann Bookmarks nur als HTML-Datei importieren. Sie können also Ihre bisherigen Lesezeichen als HTML-Datei exportieren, wie es jeder aktuelle Browser anbietet, und bei Notion hochladen. Notion behält Struktur und Darstellung der Bookmark-Dateien bei. Übersichtlich ist das aber nicht.
Später-Lese-Dienste wie Pocket, Diigo, Wallabag oder Instapaper lassen Sie Ihre Lesezeichensammlung grundsätzlich ebenfalls verwalten. Für größere Sammlungen gibt es aber geeignetere Werkzeuge.
Web-Kommandozentralen
Richten Sie sich doch eine browserübergreifende Startseite im Web ein, ein persönliches Portal. Die Dienste Start.me, Protopage und Netvibes zum Beispiel ermöglichen das. Start.me etwa importiert Lesezeichen-Exportdateien der Browser. Dort können Sie Bookmarks auf mehreren Seiten anordnen, zwischen denen Sie mit Karteireitern wechseln. So trennen Sie Links für die Arbeit und die private Nutzung, indem Sie sie auf unterschiedlichen Seiten sammeln.
Bookmarks gruppiert der Dienst kompakt in Form von Icons, als Wolke oder als Liste. Start.me bietet aber noch mehr: Widgets halten Notizen oder To-do-Listen fest oder holen aktuelle Wetterinformationen und Postings aus RSS-Feeds aus dem Netz.
Start.me ist in der Gratisversion werbefinanziert. Schon im kostenlosen Tarif können Sie beliebig viele Links speichern. Die Pro-Version für 20 US-Dollar pro Jahr enthält keine Werbung, prüft Links auf Erreichbarkeit und bietet zusätzliche Widgets, etwa für Aktienkurse, Google-Kalender und Trello-Boards.
Bookmark-Clouds
Wenn Sie nur Ihre Lesezeichen browserübergreifend pflegen wollen, ist vielleicht ein reiner Bookmark-Manager-Dienst eine noch bessere Wahl. Bookmark Ninja, Qlearly und Raindrop betreiben solche Bookmark-Clouds. Raindrop zum Beispiel macht Lesezeichen über ein Web-Frontend sowie per App für Android oder macOS zugänglich. Der Dienst präsentiert die Bookmarks nüchtern als Liste oder schick als Pinterest-artige Darstellung mit grafischen Vorschauen der Link-Ziele.
Der Anbieter stellt Add-ons für Chrome, Firefox, Safari, Opera und Edge sowie ein Bookmarklet für alle anderen Browser bereit. Da Raindrop in aller Regel schnell auf Benutzerinteraktionen reagiert, merkt man fast gar nicht, dass man es mit einem Cloud-Dienst zu tun hat. In Firefox lässt sich das Bookmark-Verzeichnis sogar in die Seitenleiste einbetten.
Sie können einzelne Verzeichnisse freigeben – nur lesend oder mit vollem Zugriff. Auf diese Weise kann zum Beispiel die ganze Familie Touren für den kommenden Wanderurlaub zusammentragen. Durch die Integration der Automatisierungsdienste IFTTT und Zapier lässt sich Raindrop mit hunderten anderer Dienste verknüpfen – zum Beispiel, um von Ihnen mit „Like“ versehene YouTube-Videos oder Tweets automatisch im Lesezeichenstamm zu speichern.
Raindrop ist in einer Basisversion kostenlos. Die eignet sich aber nur für kleinere Sammlungen. Wer seine Bookmarks mehr als eine Ordnerebene tief organisieren will, benötigt die Pro-Version, die rund 30 US-Dollar pro Jahr kostet. Sie checkt zudem die Lesezeichen auf Erreichbarkeit und hinterlegt ein Backup bei Dropbox oder Google Drive.
Ran ans HTML!
Mit allen bisher vorgestellten Clouddiensten geben Sie Ihre Bookmarks einem Drittanbieter im Web. Wenn Sie das nicht möchten: Schreiben Sie sich eine eigene Startseite! Diese können Sie dann auf dem eigenen PC oder einem privaten Bereich Ihrer Homepage ablegen und bei Ihrem Browser als Start- oder Neuer-Tab-Seite hinterlegen. Die neue Startseite geben Sie dann direkt in den Einstellungen Ihres Browsers vor. Um eine Neuer-Tab-Seite einzurichten, benötigen Sie mit Firefox das Add-on New Tab Override und bei Chromium-Browsern die Erweiterung New Tab Redirect.
Eine persönliche Portalseite ist ein guter Startpunkt, wenn Sie gar keine HTML-Kenntnisse haben, aber schon immer mal ein wenig HTML lernen wollten. Unter https://stpg.tk versorgt Sie ein Tutorial mit dem nötigen Grundwissen. Es gibt bei Reddit unter r/startpages/ sogar eine kleine Gemeinschaft von Enthusiasten, die an persönlichen Startseiten schrauben. Gute Startpunkte sind zum Beispiel die Pakete lux und startpage_4 mit einem beziehungsweise vier minimalistischen Layouts, die sich leicht erweitern oder abändern lassen.
Bibliothekare
Zugegeben: Eine individuell gepflegte HTML-Seite ist eher etwas für kleine Bookmark-Sammlungen, die sich selten ändern, oder für Bastler mit viel Zeit. Schließlich müssen Sie so für jede Änderung den Code Ihrer Sammlung bearbeiten. Mehr Komfort bieten Desktop-Programme.
Das kostenlose StorURL für Windows zum Beispiel importierte in unseren Versuchen zuverlässig die Lesezeichensammlungen diverser Browser und stellt sie Explorer-artig in einer Baumhierarchie dar. Klickt man auf einen Link, bietet die Anwendung sämtliche im System verfügbaren Browser zur Auswahl an. Ähnlich funktioniert URL Manager unter macOS. Für Linux gibt es mit buku einen browserübergreifenden Bookmark-Manager für die Kommandozeile.
Selbstgehostet
Wenn Sie eine Lösung suchen, die unter Ihrer Kontrolle und browserübergreifend funktioniert, ist ein persönlicher Bookmark-Server das Mittel der Wahl.
Wer über eine Nextcloud-Instanz verfügt, die App-Installationen zulässt, kann mit ein paar Mausklicks einen Lesezeichenmanager installieren. Die „Bookmarks“-App kann vom Browser exportierte Lesezeichen importieren. Sie stellt sie in einer Listen- und Rasteransicht dar. Die Bookmarks lassen sich vom Benutzer mit Notizen und Tags versehen. Es gibt zudem Clients für Android und iOS sowie Erweiterungen für Firefox und Chrome.
Direktabgleicher
Last not least gibt es auch noch die Champions League der Bookmark-Verwalter: Anwendungen, die die Lesezeichen in den Browsern direkt synchronisieren, und zwar browser- und systemübergreifend. Entscheiden Sie sich für eine dieser Lösungen, können Sie also bei ihren Browsern die gewohnte Lesezeichenverwaltung weiternutzen.
Allerdings funktioniert nicht jeder Synchronisierer mit jedem Browser und auf jedem System. Und auch in dieser Softwarekategorie gilt es wieder zwischen Komfort mit einer fremden Cloud versus Sicherheit und Datenschutz, aber mehr persönlichem Aufwand abzuwägen.
Eine einfache Möglichkeit, Bookmarks browser- und plattformübergreifend zu synchronisieren, bietet Apple mit seiner iCloud. Die Lesezeichen von Safari auf macOS- und iOS-Geräten lassen sich dort von Haus aus miteinander abgleichen. Wer den Desktop-Client für Windows installiert, kann zusätzlich seine Bookmarks mit Chrome und Firefox synchronisieren. Dazu muss man in den beiden Browsern je eine Erweiterung installieren.
Mit der Firefox- und Chrome-eigenen Synchronisierung verträgt sich der iCloud-Abgleich unserer Erfahrung nach nicht. In unseren Versuchen erzeugte ein solcher Parallel-Abgleich sehr schnell viele Bookmark-Dubletten. Für den Bookmark-Abgleich reicht ein kostenloser iCloud-Account völlig aus.
Das Open-Souce-Projekt xBrowserSync ist als Alternative zu den Lösungen der Browserhersteller entstanden. Die Betreiber versprechen, Lesezeichen anonym und verschlüsselt auf ihren Servern zu speichern. Für die Einrichtung muss man nur eine Erweiterung bei dem ersten zu synchronisierenden Browser installieren. Dabei vergibt man ein Passwort für seine Daten und erhält eine eindeutige xBrowserSync-ID, mit der man mit allen weiteren Browsern auf seinen Bookmark-Stamm zugreift.
Bei der Einrichtung kann man den Server wählen, auf dem die Daten liegen sollen: Bei xbrowsersync.org selbst oder bei einem anderen Server. In unseren Versuchen funktionierte der projekteigene Server zuverlässig und reagierte flott. Die 1 MByte, die dort zur Verfügung stehen, reichen auch für größere Bookmark-Sammlungen. Wer mag, kann sich aber auch einen eigenen Server einrichten oder gar einen öffentlichen Server betreiben. xBrowserSync ist gratis.
Floccus ist ein weiteres Hilfsmittel zum Synchronisieren von Bookmarks. Die Open-Source-Anwendung steht als Firefox- und Chrome-Erweiterung zur Verfügung, unter Android unterstützt der Kiwi-Browser Floccus. Als Server kann Floccus jeden Server verwenden, der das Protokoll WebDAV unterstützt – auch Nextcloud. Unter Nextcloud greift Floccus auch direkt auf die Bookmarks-App zu.
Wer nicht über einen Server verfügt, kann seine Bookmarks über die für Windows und macOS erhältlich Zusatz-App Floloccus mit einer lokalen Datei abgleichen.
Und los – aber mit Backup
Es ist eine gute Idee, vor Experimenten mit Bookmarks Backups anzulegen, insbesondere beim Einsatz von Synchronisierdiensten. Ansonsten gilt: Befreien Sie Ihre Bookmarks, machen Sie sie von überall her zugänglich!